Die Glasmalereien
Die letzten Glasmalereien, die bekannte Aarauer Künstler Felix Hoffmann (1911—1975) gestalten konnte, finden sich in der Kirche Umiken. Es handelt sich um drei Chorfenster mit der Darstellung der zentralen Szene vom Ostermorgen (im Chorscheitel, 1973) und den seitlichen Szenen mit Jesaja (1975) und dem Abendmahl (1973/74). Die Masse betragen 300 x 140 cm. Sie wurden teilweise vom beteiligen Glashandwerker fertigstellt.
Über die letzte Lebens- und Schaffensphase des Künstlers schrieb Peter Felder: «Daneben gewinnt im Bereich Sakralkunst die Symbolsprache von Zeichen und Farbe an Bedeutung, um schliesslich in der Chorverglasung der Pfarrkirche Umiken zum Leitmotiv der Bildgestaltung zu werden. Die drei dortigen Fenster, nach Form und Inhalt ein sinnreiches Triptychon, durfte Felix Hoffmann nicht mehr eigens vollenden.»
Im rechten Chorfenster geht es um das zentrale Ostergeschehen, das bei Felix Hoffmann immer auch die Passion (Kreuzigung), das offene Grab mit den trauernden Frauen UND die Auferstehung meint, über dem der gewaltige Engel mit seiner segnenden Rechten schwebt und das Fenster nach oben abschliesst. Der Engel ist in einer gewinkelten, vertikalen Variante der Mandorla dargestellt und auch farblich nach unten klar abgegrenzt. Er wird mit dem vom Künstler so geliebten Farbe Blau gezeigt: «Blau als Farbe des Wunderbaren, Unwirklichen» (Felix Hoffmann) und ist in vielem dem im Auferstehungsfenster der Kirche in Windisch von 1967 vergleichbar. Die Auferstehung findet sich auch in weiteren Kirchen, die Felix Hoffmann mit Glasmalereien geschmückt hat, so im zentralen Chorfenster der Stadtkirche Aarau, auf dem Kirchberg, in Suhr, Bözen und, wie erwähnt, in Windisch.
Felix Hoffmanns Signatur des Osterfensters findet sich rechts unten: «Felix Hoffmann 1973»
Das Fenster links des zentralen Fensters zeigt den Propheten Jesaja, den Felix Hoffmann auch in mehreren Kirchen dargestellt hat, so im Prophetenfenster der Stadtkirche Aarau, auf dem Kirchberg und im grossen Jesajafenster des Berner Münsters: Es scheint, dass ihm dieser grosse Prophet ganz besonders am Herz lag.
In Umiken wird die Berufungsszene des Jesaja zum Propheten gezeigt, die in Jesaja 6,1-13 so geschildert wird:
«1Im Todesjahr des Königs Ussijahu sah ich den Herrn auf einem Thron sitzen, hoch und erhaben, und der Saum seines Gewandes füllte den Tempel. 2Über ihm standen Serafim; sechs Flügel hatte ein jeder, mit zweien hielt ein jeder sein Angesicht bedeckt, mit zweien hielt ein jeder seine Füsse bedeckt, und mit zweien hielt ein jeder sich in der Luft. 3Und unablässig rief der eine dem anderen zu und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen! Die Fülle der ganzen Erde ist seine Herrlichkeit. 4Und von der Stimme dessen, der rief, erzitterten die Türzapfen in den Schwellen, und das Haus füllte sich mit Rauch. 5Da sprach ich: Wehe mir, ich bin verloren! Denn ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen, und ich wohne in einem Volk mit unreinen Lippen, und meine Augen haben den HERRN der Heerscharen gesehen! 6Da flog einer der Serafim zu mir, eine glühende Kohle in seiner Hand, die er mit einer Dochtschere vom Altar genommen hatte. 7Und die liess er meinen Mund berühren, und er sprach: Sieh, hat das deine Lippen berührt, so verschwindet deine Schuld, und deine Sünde wird gesühnt. 8Und ich hörte die Stimme des Herrn sagen: Wen werde ich senden? Und wer von uns wird gehen? Da sprach ich: Hier bin ich, sende mich!»
Gezeigt wird in die Szene, in der der Seraph die glühende Kohle – erkennbar als leuchtendrotes Scheibchen in den ausgestreckten Händen des Seraphen – eben zum Mund des erschrockenen, in die Knie gesunkenen Jesaja führt.
Gewaltig gross erscheint der Seraph, einer dieser besonderen Boten Gottes mit sechs Flügeln: Auch das hat Felix Hoffmann dargestellt, dabei die Luftigkeit und Farbigkeit dieser sechs Flügel betont.
Darunter in eindrücklicher Zweiteilung Menschengruppen: gleich unter der Szene mit dem Seraph und Jesaja, gleichsam vom Licht von oben be- und erleuchteten Menschen, die alle nach oben schauen, ergriffen vom gewaltigen Geschehen. Darunter – im eindrücklichsten Gegensatz – die Unergriffenen, die nichts vom göttlichen Eingreifen erfahren wollen oder können, nach unten schauen. Konsequent hat Felix Hoffmann die obere Menschengruppe nicht nur ins Licht gesetzt, sondern sie archaisierend, auf ihr allgemeinmenschliches Sein hin gestaltet, während die zuunterst dargestellten Menschen als moderne Büromenschen erscheinen; und sie sind im Schatten.
Wir finden hier also auf einfachste und damit aussagekräftige Weise den Gegensatz zwischen unten und oben, zwischen dem Allgemeinmenschlichen und dem Zeitgeist-Verhaftetsein – und es bedeutet gleichzeitig den Unterschied von im Licht oder im Dunkel/Schatten sein.
Interessant ist auch, dass die untersten beiden Panneaux als nach oben ganz klar abgegrenzt erscheinen, während die Menschengruppe in der Szene darüber mit einem breiten Saum des bunten Seraphengewandes hinterlegt ist und somit in der Vertikalen gleichsam eingefasst wird. Und doch – selbst im Schattenreich des unerleuchteten Alltags ganz unten – ist direkt unter diesem Seraphengewand zwischen den beiden Figuren links aussen ein winziger heller Streifen in Orange sichtbar. Also doch eine Spur Hoffnung, dass das Licht von oben die Menschen im Dunkel irgendwann erleuchten wird?
Auch in diesem Fenster ist die Bedeutungsperspektive sehr eindrücklich: Der übergrosse Engel, Jesaja, die alles überstrahlende Sonne mit der Kurzschrift des Auferstandenen – J H S («Iesous Hyos Sotär»: «Jesus Sohn Retter»), das diese alttestamentliche Szene bereits auf die Verheissung des Neuen Testamentes verweist und bezieht.
Die Signatur von Felix Hoffmann im Jesajafenster findet sich rechts unten: «1975 Felix Hoffmann»
Das dritte Fenster hat zum Thema das Abendmahl, das mit verschiedenen Symbolen dargestellt wird: zwei Fische, Ähren und Rebe, darüber und als Anschluss in der jeweiligen vertikalen Linie Brote und der Abendmahlskelch mit Wein. Es findet sich, über den reifen Ähren auf einer Art Sockel das Lamm als Symbol Christi, das sogar einen Nimbus trägt und hinter einer Flagge steht: Es handelt sich um das Symbol des Drachenkämpfers und Märtyrers, des hl. Georgs: ein rotes Kreuz auf weissem Grund.
Dieses Fenster konnte Felix Hoffmann nicht mehr selber fertigstellen; es wurde vom beteiligten Glasatelier vollendet.
Barbara Tobler im Wochentext «Von Tag zu Tag» der reformierten Wochenzeitschrift «Doppelpunkt» 5/2015: «Die schöpferische Kraft des göttlichen Wortes – Wochentext: Jesaja 55,10-12a» (PDF, 251 KB)
Verfasst von Barbara Tobler
Fotos © Hans Fischer