Der Hugenottenweg im Aargau und der Stationenweg Schafisheim - Lenzburg

Der internationale «Hugenottenweg» von Frankreich nach Deutschland erinnert an die Geschichte und das Schicksal der Hugenotten. Als «Hugenotten» (frz. huguenots) wurden die reformierten Christen Frankreichs, die sich zur Lehre des Reformators Jean Calvins bekannten, in der Zeit von etwa 1560 bis zur Revolution 1789 bezeichnet. Über Jahrhunderte wurden Reformierte in Frankreich als Ketzer verfolgt, vor allem nach der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes, 1685, das die Reformierten in Frankreich der Verfolgung preisgab. Viele von ihnen sind in die Schweiz geflüchtet und wurden von reformierten Kantonen aufgenommen.

Der Schweizer Abschnitt des Hugenotten- und Waldenserwegs wird von der Stiftung VIA betreut und dereinst von Genf bis nach Schaffhausen führen. Er ist Teil des internationalen Hugenottenpfades, der über 1800 Kilometer von Südfrankreich bis nach Nordhessen in Deutschland führt. Den Aufbau des internationalen Hugenotten- Kulturwanderwegs in der Schweiz betreut die Stiftung «Via – auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser».

Aargauer Hugenotten- und Waldenserweg

Im Juni 2021 wurde der Aargauer Teil des Hugenotten- und Waldenserwegs eröffnet. Die Ausschilderung der Kulturroute führt von Murgenthal bis Bergdietikon. 19 Täfelchen wurden an zentralen Wanderwegweisern angebracht. Er führt von Murgenthal nach Zofingen (mit Abstechern nach Aarburg, wo viele Flüchtlinge von Bern auf der Aare herkommend ausstiegen, und nach Vordemwald) und von Zofingen über Safenwil nach Aarau. Dort gab es von 1685 bis 1699 eine eigene Hugenottengemeinde, an die eine Tafel am Haus zur Zinne bei der Stadtkirche in Aarau erinnert.

Eröffnung des Aargauer Hugenotten- und Waldenserwegs am 12. Juni 2021 in Aarau - Enthüllung der Erinnerungstafel an die Hugenottengemeinde in Aarau am Haus zur Zinne, Franziska Graf (li.), Doris Brodbeck (re.)

Von Aarau führt der Weg über Suhr und Schafisheim nach Lenzburg und Brugg. Der letzte Teil des Wegs geht dann von Brugg über Mellingen nach Dietikon, wo er die Kantonsgrenze nach Zürich überschreitet. Über Spreitenbach und Zürich geht er dann weiter in Richtung Schaffhausen und Deutschland.

Broschüre Hugenottenweg Aargau 2021, Seiten 1-5 von Murgenthal - Aarau

Broschüre Hugenottenweg Aargau 2021, Seiten 6-12 von Aarau - Dietikon

Webbeschreibungen

Stationenweg von Schafisheim - Lenzburg

Ende September 2013 wurde mit dem Stationenweg «Auf den Spuren der Hugenotten durch den Aargau» des Museums Burghalde ein Aargauer Teilstück des Hugenottenweges eröffnet. Auf dem Weg von Schafisheim nach Lenzburg erklären Informationstafeln an sechs Stationen historische Zusammenhänge und Zeugnisse der Flüchtlinge. Startpunkt des Weges, der über rund zehn Kilometer führt, ist die Kirche Schafisheim. Endpunkt bildet das Museum Burghalde in Lenzburg mit einer Ausstellung mit Exponaten von Hugenotten aus der Region.

Karte mit den Stationen des Hugenottenweges

Im folgenden Auszüge aus den Textentwürfen der sechs Stationentafeln:

1. Schafisheim, Schlössli
Zu den geflüchteten Hugenotten gehörten zahlreiche Geschäftsleute, Unternehmer und talentierte Handwerker. Von den Schweizer Obrigkeiten wurde die Ansiedlung jener Flüchtlinge, die für die Wirtschaft von Nutzen sein konnten, gezielt gefördert. Die Hugenottenfamilie Brutel de la Rivière betrieb zunächst in Zofingen, dann in Schafisheim eine erfolgreiche Indienne-Druckerei.

Die Seidenweberei, die Strumpfwirkerei und der aus Indien/Ostasien stammende Indienne-Druck wurden von Hugenotten eingeführt. Letztere Technik – das Bedrucken von Baumwollstoffen mit farbigen, waschechten Mustern – erlebte ab Beginn des 18. Jahrhunderts eine hundertjährige Blütezeit.

Auch die aus Südfrankreich in die Schweiz geflohene Hugenottenfamilie Brutel de la Rivière wurde im Textilgewerbe aktiv. Seine Söhne Etienne und Samuel Brutel eröffneten um 1720 in Zofingen eine Indienne-Druckerei. 1736 waren die Gebrüder in der Lage, die Herrschaft Schafisheim mit Schloss zu erwerben. An der Südseite des Schlosses errichteten sie einen Anbau für den Indienne-Druck, das heutige Schlössli, und verlegten ihre Manufaktur dorthin.

1747 traten Paul Rudolf und Samuel, Söhne Etiennes, in die Manufaktur ein. Fortan hiess sie Etienne Brutel & fils. Sie besass eine beträchtliche Grösse: Im Jahr 1755 wurden z. B. 10'200 baumwollene Tücher gebleicht und 10'450 Tücher bedruckt. Samuel verliess die Firma später und baute 1766 in Aarau im Gegenzug für die Verleihung des Bürgerrechts eine Seidenbandfabrik auf. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kam es zum Niedergang des Indienne-Drucks. Vermutlich vor 1800 wurde die Schafisheimer Manufaktur der Brutel geschlossen, der Besitz mit Schloss und Fabrik kurz darauf verkauft.

1968 kaufte die Reformierte Kirchgemeinde Staufberg das Schlössli, seit 1980 Mitbesitz des Vereins für Alterswohnungen Schlössli. 1984–85 wurde das Schlössli und zum Kirchgemeindehaus der Gemeinde Staufberg mit Saal, Unterrichts- und Sitzungszimmern und zusätzlichen Alterswohnungen umgebaut. In der Ausstellung im Foyer sind Porträts, ein Stammbaum und Dokumente zur Familie Brutel de la Rivière zu besichtigen.

2. Reformierte Kirche Schafisheim
An der Aussenseite des Chors der Kirche Schafisheim befindet sich eine Gedenkplatte für Johann Friedrich Brutel (1796–1883) und seine Gemahlin Elisabeth (1806–1893). Johann Friedrich war ein Urenkel von Etienne Brutel, dem Begründer des Schafisheimer Zweiges der Familie. Die Kirche Schafisheim gehörte mit Herrschaft und Schloss Schafisheim zu Etiennes Brutels Besitz.

3. Das Haus «Im Guet» (heute Urech-Gut)
Das Haus «Im Guet» (heute Urech-Gut) wurde um 1783 von Hauptmann Johann Heinrich Brutel de la Rivière (1732–1799) erbaut, dem sechsten und jüngsten Sohn des hugenottischen Kaufmanns Etienne Brutel, dem Erbauer der Indienne-Manufaktur im Schlössli Schafisheim und Begründer des Schafisheimer Zweiges der Familie. Über Johann Heinrich selbst ist wenig bekannt. Gemeinsam mit seinen älteren Brüdern scheint er nach Etiennes Tod Besitzer der Manufaktur gewesen zu sein.

Das Haus «Im Guet» liegt in Sichtweite des vermutlich für Etienne Brutel erbauten Neuhauses (heute Brutel-Gut). Mit den drei herrschaftlichen Gebäuden, den beiden Herrenhäusern und dem Schlössli haben die Brutel das Gesicht des Dorfes Schafisheim geprägt und ihrem Selbstbewusstsein und wirtschaftlichen Erfolg Ausdruck verliehen. Sie zeugen jedoch auch von ihrem starken Bezug zu diesem Ort. Zu einem unbekannten Zeitpunkt haben die Brutel das Anwesen verkauft. Seit fünf Generationen befindet es sich im Besitz der Familie Urech und Nachkommen. Heute steht es unter Denkmalschutz.

4. Neuhaus (heute Brutel-Gut)
Das Neuhaus wurde vermutlich für Etienne Brutel (1683−1752) in der Zeit von ca. 1750−1758 erbaut. Etienne hat die Vollendung nicht mehr erlebt und wurde auf dem Staufberg bestattet. Das Anwesen liegt nördlich des Dorfes Schafisheim an der alten Landstrasse Bern-Zürich. Es ist ein dreigeschossiges spätbarockes Landhaus mit einem geknickten Walmdach. Es blieb bis 1971 in Familienbesitz. Die Stiftung Brutel-Gut erwarb später das Anwesen und führte eine umfassende Renovierung und Umbau mit Schulräumen durch. Sie stellt die Räume der Rudolf Steiner Schule Aargau zur Verfügung.

5. Reformierte Kirche Staufberg
Für die Hugenotten bildete die Kirchgemeinde den Lebensmittelpunkt. Der Gottesdienst war in den Alltag eingebunden und auch zuhause wurde der Glaube täglich durch Gebete, Bibellesung und Psalmengesang (Hugenottenpsalmen) gepflegt. Eine noch wesentlichere Bedeutung kam der Kirchgemeinde im Exil zu. In der fremden Umgebung fanden die Hugenotten dort Rat und Hilfe, konnten Bekanntschaften pflegen und Heiratsverbindungen knüpfen und erhielten wichtige Informationen.

Für die Hugenottenfamilie Familie Brutel de la Rivière, Besitzerin der Herrschaft Schafisheim, spielte der Glaube eine zentrale Rolle. Sogar ein Rechnungsbuch ist mit dem Satz «Au Nom de Dieu le tout soit fait» überschrieben. Die Kirche Staufberg war ihre Kirchgemeinde. Etienne Brutel (1683−1752) wurde hier bestattet, eine Gedenkplatte hängt rechts des Kirchenportals. Eine zweite Platte befindet sich an der Aussenseite des Kirchenchors. Anne Brutel (1769−1847), geborene Stettler, war die Gemahlin eines Enkels von Etienne Brutel.

6. Museum Burghalde Lenzburg
Die 6. Station ist das Museum Burghalde in Lenzburg mit einer Ausstellung mit Exponaten von Hugenotten aus der Region.