Die Kirche Rued
Die schmucke Talkirche des Ruedertals steht in Kirchrued, einem Ortsteil der politischen Gemeinde Schlossrued. Ihre Lage kann im eigentlich Sinn des Wortes als idyllisch bezeichnet werden, zumal das rund 1000 Jahre alte Gotteshaus in einer Schleife des Talbaches (zwischen Schmiedrued und Schlossrued), an einem alten Wegkreuz mit Abzweigung nach Leerau und ins Suhrental zu finden ist.
Es handelt sich hier um eine mittelalterliche Herrschaftskirche, die seit ihrer Gründung zu Beginn des Hochmittelalters stets Bestandteil der Herrschaft Rued gewesen ist und erst im neu gegründeten Kanton Aargau 1807 an den Staat, ein Jahrhundert später 1906 an die Kirchgemeinde überging. Diese umfasste das ganze Talgebiet mit allen Dörfern, Weilern und Einzelhöfen.
Seit 1415 gehörte der Aargau zum bernischen Herrschaftsgebiet, mit welchem 1528 auch der Übergang von römisch-katholischen zum reformierten Glauben zu verzeichnen war, und zwar ganz nach dem damals üblichen Grundsatz «In wessen Herrschaftsgebiet man lebt, dessen Religion hat man anzunehmen» («cuius regio, eius religio»).
In dieser Kirche liess sich eine ganze Reihe von Oberherren der Herrschaft und viele ihrer Familienmitglieder bestatten. Besonders der Berner Patrizier-Familie May, welche 1520 die Herrschaft erworben und bis 1798 innehatte, lag des Wohl der Kirche von Rued am Herzen. Dies zeigt sich an den Baumassnahmen, der Innenausstattung mit wertvollen Wappenscheiben und weiterem Kircheninventar, der Unterstützung der Kirchgemeinde mit grosszügigen Legaten zuhanden der Armen sowie dem oft realisierten Wunsch, selber dort beerdigt zu werden.
Weniger bekannt ist heute, dass auch die Leerauer Kirche seit dem Spätmittelalter zur Herrschaft Rued gehört hatte. Sie zeigt in ihrer Ausstattung und Grösse eine gewisse Ähnlichkeit zum Gotteshaus in Kirchrued.
Im 19. Jahrhundert musste der Kanton, im 20. Jahrhundert die Kirchgemeinde für den Unterhalt der Kirche aufkommen, was den nicht sonderlich begüterten Talbewohnern schwer fiel. Wohl auch deshalb wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts fünf wertvolle Glasgemälde veräussert und lediglich vier an ihrem Standort belassen.
Mit den beiden grossen Renovationen von 1962/65 und 1992/95 konnte das zwischenzeitlich denkmalgeschützte Gebäude saniert und die maroden, teilweise unterhöhlten Fundamente dauerhaft gesichert werden.
Es ist ein besonderes Erlebnis, alleine in dieser kleinen, würdevollen Kirche zu sitzen, die wundervollen, alten Glasgemälde zu bestaunen und sich vorzustellen, dass in diesem Gotteshaus seit der Reformation mehr als 60 Pfarrer den Talbewohnern in Predigt und Seelsorge den christlichen Glauben verkündigt haben.
Verfasst von Markus Widmer-Dean
Die Bilder stammen von Markus Widmer-Dean – die Flugaufnahme von Rudolf Hunziker.