Kirchen- und Baugeschichte

Unterentfelden gehörte im Mittelalter zur Grosspfarrei Suhr, die sich ursprünglich aus mehreren Dörfern zusammensetzte. Das Gotteshaus in Suhr wurde im 7. oder 8. Jahrhundert von einer bedeutenden Adelsfamilie errichtet und blieb für Unterentfelden und weitere Ortschaften fast 1’400 Jahre lang seelsorgerisches Zentrum, zunächst der römisch-katholischen Kirche, seit 1528 dann der reformierten Kirche.

Umfang der alten Grosspfarrei Suhr.

Bereits im Mittelalter kam es in der Grosspfarrei Suhr zu Gebietsveränderungen. 965 n. Chr. fiel der Königshof Entfelden (Oberentfelden) ans Kloster Disentis. Damit verbunden war die Errichtung einer eigenen Kirche. Ebenfalls früh (11. Jahrhundert) entstand die Kirche in Gränichen, die noch vor 1300 aus dem Pfarreiverband Suhr ausschied. Die Stadtkirche in Aarau (errichtet um 1240) löste sich faktisch 1404 von der Mutterkirche Suhr, wurde aber erst mit der Reformation Zentrum einer eigenständigen Kirchgemeinde.

Die kirchliche Zugehörigkeit der Entfelder Dorfteile präsentierte sich im 16. Jahrhundert zunächst uneinheitlich. So war ein Teil von Oberentfelden nach Suhr kirchgenössig. Nach der Reformation gelang es im Jahr 1537 dem 17 Häuser umfassenden südlichen Dorfteil (oberer Hof bzw. Meierhof), sich kirchlich von der Pfarrei Suhr zu lösen und sich mit der Kleinpfarrei des nördlichen Dorfteils zu vereinigen. Gleichzeitig wurde Unterentfelden angeschlossen, das jedoch bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wieder in die Pfarrei Suhr zurückkehrte und dort bis 1959 verblieb.

Die reformierte Kirche von Suhr in einer Fotografie aus dem Jahr 1910. Damals gehörte Unterentfelden noch zur Kirchgemeinde Suhr.

Seit dem 18. Jahrhundert setzte sich die Kirchgemeinde Suhr aus dem Gebiet der Dorfgemeinden Suhr (mit Buchs und Rohr), Hunzenschwil sowie Unterentfelden zusammen. Im Jahr 1810 wurden Buchs und Rohr aus dem Gemeindeverband Suhr herausgelöst und bildeten fortan eigene Dorfgemeinden. Die kirchlichen Verhältnisse blieben hiervon noch ein weiteres Jahrhundert unberührt. Seit den 1920er-Jahren waren in allen noch zu Suhr gehörenden Gemeinden Ablösungsbestrebungen zu beobachten. Die Kirchgenossen von Rohr und Buchs gründeten deshalb 1924 einen Kirchenbaufonds. Die Gemeinden Hunzenschwil und Unterentfelden beabsichtigten ebenfalls, sich von der Kirchgemeinde Suhr zu trennen. Diese reagierte vorerst mit der Bildung von zwei Pfarrkreisen. Ein Seelsorger wohnte in Suhr und hatte die Gemeinden Suhr, Hunzenschwil und Unterentfelden zu betreuen. Ein weiterer Pfarrer war in Buchs ansässig, von wo aus er die Gemeinden Buchs und Rohr betreute.

Seit 1946 existiert die gemeinsame Kirchgemeinde Buchs-Rohr mit jeweils eigenen Kirchenbauten aus den Jahren 1950 und 1960.

Auch die reformierten Gläubigen in Unterentfelden bekundeten mit der Gründung des «Kirchlichen Gemeindevereins» im Jahr 1954 den Willen zur kirchlichen Eigenständigkeit und damit zur Ablösung von der über ein Jahrtausend bestehenden Zugehörigkeit zur Kirche Suhr. Ein erster Schritt zur Eigenständigkeit erfolgte bereits mit der Bereitstellung eines Friedhofes in der Gemeinde, dessen Realisierung 1948 eine mehr als 100-jährige Vorgeschichte hatte.

Der seit 1948 existierende grosszügig dimensionierte Friedhof von Unterentfelden am Waldrand beim Eichhözli. Das während des 2. Weltkrieges im Rahmen des damals umgesetzten Planes Wahlen (landwirtschaftlicher Mehrbau zur besseren Selbstversorgung) gerodet worden war. Im Hintergrund ist die von Paul Agustoni (1934-2012) geschaffene Plastik zu sehen, die das Gemeinschaftsgrab schmückt.

Ein Hauptgrund für die Errichtung einer neuen Kirchgemeinde in Unterentfelden Mitte der 1950er-Jahre lag in der damals zu beobachtenden starken Zunahme der Einwohnerzahlen und damit auch der reformierten Gläubigen. Alleine zwischen 1941 und 1960 verdoppelte sich die Zahl der Reformierten in Unterentfelden beinahe und umfasste nun knapp 1’600 Personen.

Der 1954 gegründete «Kirchliche Gemeindeverein Unterentfelden» hatte die klare Aufgabe, «das kirchliche Leben im Dorf als Teil der Urpfarrei Suhr fördern» sowie «die Äuffnung eines Fonds zum Bau kirchlicher Bauten in Unterentfelden» zu verfolgen.

Der neu gegründete Verein zeigte sich von Beginn weg sehr aktiv. Neben der Organisation kirchlicher Gemeindeabende wurde auch die Schaffung einer Pfarrhelferstelle vorangetrieben, mit der die beiden Pfarrpersonen der grossen Kirchgemeinde Suhr entlastet und die seelsorgerische Betreuung in Unterentfelden verbessert worden sollte. Mit der Anstellung von Pfr. Viktor Kaufmann aus Gränichen konnte dieser wichtige Schritt hin zur Eigenständigkeit noch im Gründungsjahr des kirchlichen Gemeindevereins realisiert werden.

Ebenfalls 1954 bewilligte die Kirchgemeindeversammlung Suhr einen Planungskredit für die Erstellung von geeigneten Gottesdiensträumlichkeiten. Damals wurde noch im Untergeschoss des Gemeindehauses ein Raum als Notlösung für die Abhaltung von Gottesdiensten genutzt. Weil dort aber zu wenig Platz vorhanden war, verlegte man die Gottesdienste ins Untergeschoss des Schulhauses Eichhölzli. Gleichzeitig warb der kirchliche Gemeindeverein nun aktiv mit der Broschüre «Ein Gotteshaus für Unterentfelden» für den Bau von Kirchenräumlichkeiten. Da zu dieser Zeit in Unterentfelden weitere öffentliche Bauten realisiert werden mussten, beschränkte man sich zunächst auf Errichtung eines Kirchgemeindehauses. Ein eventueller eigentlicher Kirchenbau wurde vorerst verschoben.

Im Untergeschoss des Gemeindehauses von Unterentfelden wurden vor dem Bau des Kirchgemeindehauses einige Zeit die Gottesdienste abgehalten.

Nachdem alle rechtlichen und politischen Voraussetzungen erfüllt waren, erhielt Unterentfelden Ende Januar 1959 die grossrätliche Zustimmung zur Schaffung einer eigenen Kirchgemeinde, die von der nun ehemaligen Mutterkirchgemeinde Suhr einen Kostenbeitrag von 175’000.– zugesprochen erhielt, was damals etwa dem Unterentfelder Anteil am Gesamtkirchengut entsprach.

Bereits an der allerersten Kirchgemeindeversammlung der neu gegründeten Kirchgemeinde Unterentfelden vom 12. April 1959 wurde der Baukredit von Fr. 440’000.– für das Kirchgemeindehaus bewilligt.

Das Projekt des Aarauer Architekten Emil Aeschbach (*1922) sah ein schlichtes, harmonisches und ins Dorfbild passendes Kirchgemeindehaus vor, das mit seinem Kirchensaal wohl bereits die dauerhafte Verwendung als «Kirche» in die Wege leitete.

Nach dem Spatenstich Anfang August 1959 folgte am 11. Oktober 1959 die Grundsteinlegung. Im Dezember 1959 konnte das Richtfest gefeiert werden. Zehn Monate später, im Oktober 1960 fand die feierliche Einweihung des neu erbauten Kirchgemeindehauses mit Kirchenraum (Kirchensaal) statt. Ende 1961 wurde die an den Kirchenraum angepasste kleine Orgel im Rahmen eines Adventsgottesdienstes in Betrieb genommen.

Die Tafel über dem Grundstein des Kirchgemeindehauses. In römischen Ziffern ist oberhalb des griechischen Christusmonogramms (die griechischen Buchstaben Chi und Rho stehen für «Christos») die Datierung 11.10.1959 zu lesen, unterhalb ist der Bibelvers Jesaia 66.22 vermerkt («Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich mache, vor mir bestehen bleiben, Spruch des HERRN, so bleiben eure Nachkommen und euer Name bestehen.»).

Auch der Turmbau, der bis 1962 vollendet war und nach dem Glockenaufzug des sechsstimmigen Geläuts Ende September seine Funktion aufnehmen konnte, wurde in sehr kurzer Zeit realisiert. Der modern und eigenwillig gestaltete Glockenturm entsprach zusammen mit dem Kirchensaal im Kirchgemeindehaus nicht dem gängigen Idealbild einer reformierten Kirche und wurde deshalb zweitweise Ursache spöttischer Bemerkungen.

Historische Fotografie des Glockenaufzugs. Zu sehen ist die Lehrerin Martha Hunziker mit Schulkindern, die traditionsgemäss die Glocken an einem langen Seil in den Turm hinauf ziehen.

Aus heutiger Sicht, war die Entscheidung, einen Kirchensaal zu bauen und auf eine eigentliche Kirche zu verzichten, schon beinahe prophetisch. Denn die Zahl der reformierten Gemeindemitglieder stagnierte 1960 und ist seither rückläufig. Unterhalts- und Betriebskosten des Kirchgemeindehauses mit seinem Kirchensaal belasten die Kirchgemeinde deutlich weniger, als dies in anderen Gemeinden mit einer Kirche der Fall ist.

1966 wurde für die jeweils in Unterentfelden ansässige Gemeindepfarrperson in direkter Nachbarschaft zum Kirchgemeindehaus ein Pfarrhaus errichtet, welches sich gut ins Dorfbild einfügt.

Das Pfarrhaus in Unterentfelden liegt direkt neben dem reformierten Kirchgemeindehaus.

Seither sind verschiedene Erweiterungen, Sanierungen und Renovationen der kirchlichen Bauten erfolgt, so 1983 die Erweiterung des Kirchgemeindehauses, 1996 die Renovation des Glockenturms und 1999 die südseitige Erweiterung und Renovation des Kirchgemeindehauses. 2009 konnte die Kirchgemeinde ihr 50-jähriges Bestehen feiern.