Wie ein Dreier «Meilener» einen Vikar aus Siebnen SZ nach Würenlos führte

Die Anstellung des Pfarrers Walter Wolfer im Jahr 1935 hatte eine heitere Vorgeschichte: Sieben Anmeldungen lagen vor, und die Kirchenpflege bekundete besonders grosses Interesse für Walter Wolfer, der in Siebnen SZ das Amt eines Vikars versah. Es wurde mit ihm ein Rendez-vous im Bahnhofbuffet in Zürich verabredet, wohin sich denn auch der Vizepräsident Heinrich Markwalder und der Kirchengutsverwalter Karl Moser als Würenloser Abordnung begaben. Unglücklicherweise hatte man aber gegenseitig keine Ahnung, wie der erwartete Partner aussah. Zudem war das Bahnhofbuffet schon damals nicht gerade klein und zur verabredeten Zeit sehr gut frequentiert. Die Würenloser Mannen setzten sich darum nahe der Türe und beobachteten jeden Neuankömmling. Vikar Wolfer, der schon länger bei seinem Dreier sass, betrachtete seinerseits alle Leute, die scheinbar auf jemanden warteten. Offenbar hatte er ein scharfes Auge, denn nach Dreiviertelstunden begab er sich zu den beiden Herren und erkundigte sich, ob sie etwa aus Würenlos kämen. Allseitig empfand man grosse Erleichterung, dass man sich gefunden hatte und die Verhandlungen beginnen konnten. Als Vikar Wolfer anführte, er sei eben im Begriff, nach Deutschland zu reisen, um dort die Verlobung zu feiern, fragten ihn die Würenloser, ob er etwa der «Nationalen Front» angehöre. Vikar Wolfer wies sich jedoch als Feldprediger der Schweizer Armee aus und betonte, in keinen Beziehungen zu den rechtsstehenden Extremisten zu stehen. Beim Begleichen der Konsumation staunte man gegenseitig nicht wenig, dass man, völlig unabhängig voneinander, aus der immens langen Weinkarte denselben offenen «Meilener» gewählt hatte. Für die Würenloser schien dies der Fingerzeig zu sein, und sie erklärten Vikar Wolfer: «Sie trinken denselben Wein wie wir, Sie verstehen uns, Sie gehören zu uns, Sie sind so gut wie gewählt.» Tatsächlich wurde Walter Wolfer mit einem erfreulichen Wahlergebnis als junger Pfarrer nach Würenlos berufen. «In vino veritas» bewahrheitete sich in jeder Hinsicht, denn Pfarrer Wolfers Tätigkeit in Würenlos war gekennzeichnet durch ein ausserordentlich gutes Einvernehmen.

Aus Otto Eichenberger, 50 Jahre Evangelisch-reformierte Kirche Würenlos 1937–1987. Eine Jubiläumsschrift. Würenlos 1987, S. 19/20.