Was es alles braucht, um eine Kirchgemeinde zu gründen!

In einem Dekret liess die Regierung des Kantons Aargau den Beschluss verkünden, dass die Gemeinden Meisterschwanden und Fahrwangen eine neue und eigene Kirchgemeinde bilden dürfen. Die vielfältigen Anforderungen, die nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben werden, sind auch heute noch bemerkenswert

Die Vollzugsverordnung des Kleinen Rats mit Siegel und Unterschriften. Damit wurde die Gründung der Kirchgemeinde Meisterschwanden-Fahrwangen in die Wege geleitet.

«Wir Bürgermeister und Grosser Rath des Kantons Aargau thun kund hiermit: Da die Gemeinden Fahrwangen und Meisterschwanden den Wunsch geäussert haben, sich von der Pfarrgemeinde Seengen, wovon sie bis anhin einen Theil ausmachten, zu trennen, und eine eigene Pfarrgemeinde zu bilden, und da sie sich durch eine von dem Bezirksgerichte zu Lenzburg unterm 26.ten Wintermonat 1816 ausgefertigte Versicherungsschrift verpflichtet haben, die mit der Errichtung und Unterhaltung der neuen Pfarre verbundenen Kosten ihrem grössten Theile nach zu bestreiten, so haben Wir in Betrachtung gezogen, dass bey dem grossen Umfange der Pfarrgemeinde Seengen und bey der Entfernung, in welcher sich die Gemeinden Fahrwangen und Meisterschwanden von ihrer Kirche befinden, diese Trennung und Errichtung einer neuen Pfarrgemeinde den kirchlichen Bedürfnissen beider Theile angemessen, und für die Pfarrverwaltungvorteilhaft sey.

Wir haben demnach auf den verfassungsmässigen Vorschlag des Kleinen Raths beschlossen:

§1: Die Gemeinden Fahrwangen und Meisterschwanden werden von der Pfarrgemeinde Seengen getrennt, um eine besondere Pfarrgemeinde zu bilden, deren Hauptort Meisterschwanden ist.

§2: Derneu errichteten Pfarrgemeinde liegt ob:

a) Eine Kirche zu erbauen und dieselbe mit Ausnahme des Chors zu unterhalten.

b) Für einen Begräbnisplatz zu sorgen.

c) Ein Pfarrhaus nebst Scheuer-, Wasch- und Ofenhaus zu erbauen.

d) Das Pfarrhaus mit einem Brunnen zu versehen und denselben zu unterhalten.

e) Dem Pfarrer einen Garten, einen Baumgarten von zwey und einer halben Jucharten, und wenigstens eine halbe Juchart Land zum Anpflanzen zu beschaffen.

f) Zur der Besoldung des Pfarrers alljährlich achthundert Franken beyzutragen, worin jedoch der Zins der Pfarrgüter zu drey Prozent ihres Capital Werths berechnet soll begriffen seyn.

g) überdies dem Pfarrer alljährlich sechs Klafter Brennholz und zwar von gleicher Qualität, wie es die Bürger selbst zu beziehen haben, unentgeldlich zu liefern und zuführen zu lassen.

h) Den Siegrist zu besolden.

§3: Zur Errichtung der angeführten Gebäude werden zweytausend Franken aus der Staatskassebeygetragen.

§4: Überdies übernimmt der Staat die Unterhaltung des Chors, die Unterhaltung aller Pfarrgebäude und die Ergänzung der Pfarrbesoldung.

§5: Die Besoldung des Pfarrers ist mit Inbegriff des Zinses der Pfrundgüter zu drey Prozent ihres Capital Werths berechnet auf Franken eintausend dreyhundert und fünfzig und sechsKlafter Brennholz von gleicher Qualität, wie es die Bürger selbst beziehen haben, festgesetzt.

§6: Die Gemeinden Fahrwangen und Meisterschwanden erhalten bey ihrer Trennung von der Pfarrgemeinde Seengen einen mit ihrer Bevölkerung verhältnissmässigen Theil des dortigen Kirchenguts, insofern die Stiftungstitel diese Theilung gestatten, und bilden dann das Kirchengut der neu zu errichtenden Pfarrgemeinde.

§7 Der Kleine Rath ist mit der Bekanntmachung und Vollziehung dieses Dekrets beauftragt.

Gegeben in Unserer Grossen Rathsversammlung in Aarau, den 19. Brachmonat 1817

Der Amtsbürgermeister – Zimmermann

Die Sekretairs – C. Bertschinger / Tschudi»

Besonderheiten des Kirchturms, die man kaum je zu sehen bekommt. Links: Das Uhrwerk der Turmuhr. Oben sind die Seilzüge zu sehen, die beispielsweise das Schlagwerk bedienen. Rechts: DasTurmgefängnis, welches im 19. Jahrhundert noch rege benutzt wurde, etwa zur Verwahrung von Gesetzesbrechern vor dem Weitertransport nach Lenzburg, oder als Abschreckung auf Anordnung des Sittengerichts.