Über den Verbleib sakraler Kunst nach dem Bildersturm von 1528

Im Rahmen der Reformation wurden in allen Kirchen des bernischen Herrschaftsgebietes – also auch in Gontenschwil – sämtliche katholischen Kunstgegenstände entfernt. Diese Aktion bezeichnet die Geschichtsschreibung als «Bildersturm». Johannes Salat (1498–1561), Reformationschronist und Zeitzeuge aus Sursee, beschrieb die Rettung sakraler Gegenstände in unserer Gegend folgendermassen: _«Als sich die lutherischen (=reformierten) Bauern zur Haferernte auf den Feldern befanden, schlichen die Altgläubigen (=Katholischen) mit Hellebarden bewaffnet zu den Kirchen und raubten alle religiösen Gegenständen, deren sie habhaft wurden. Die beladenen Leiterwagen wurden nach Beromünster gefahren, um die Kirchenschätze vor der Zerstörung zu retten.»

Angebliches Holbeingemälde (links) und spätgotische Madonna (rechts). Beide Kunstwerke stammen der Legende nach aus der vorreformatorischen Kirche Gontenschwil.

Um den entwendeten Gontenschwiler Kirchenschmuck und seinen vermeintlichen Wert ranken sich weitere Legenden. Von einem Tafelbild im Neudorfer Beinhausaltar wurde behauptet, es stamme aus der Hand von Hans Holbein (1497–1543), dem heute weltberühmten Renaissance-Maler aus Augsburg und habe vor der Reformation die Gontenschwiler Kirche geschmückt. Das Werk selber zeigt Jesus am Kreuz, zu dem von hinten der Mann mit dem Essigschwamm aufsteigt. Kunstsachverständige datieren dieses Bild, das bezüglich seiner Qualität und wegen der uneinheitlichen Komposition wohl kaum von Hans Holbein stammen dürfte, in die nachreformatorische Zeit (um 1550). Das Gemälde gehörte zu einem Altar, der 1633 von Probst Bircher der Stiftskirche Beromünster geschenkt und 1777 nach Neudorf versetzt worden war. Ein Bezug zu Gontenschwil ist unwahrscheinlich.

Zwei spätgotischen Statuen in der Krypta der Kirche Beromünster – einer Madonna sowie der hl. Magdalena – wurde ebenfalls nachgesagt, sie seien vor dem Bildersturm aus Gontenschwil gerettet worden.

Aberglaube…

Trotz strengester Verbote und der Abschaffung der katholischen Volksfrömmigkeit (im Rahmen der Reformation von 1528) hat sich in der bäuerlichen Bevölkerung eine Art «religiöse Subkultur» erhalten. Neben der offiziellen Kirche, die bei Krankheiten, Unwettern und anderen unangenehmen Ereignissen eigentlich nur das Gebet zuliess, sind auch in Gontenschwil bis ins 20. Jahrhundert allerlei Aktivitäten zu beobachten, die moderne, aufgeklärte Menschen als «Aberglauben» bezeichnen würden.

Aus Angst vor bösen Geistern und Dämonen, die das Leben negativ beeinflussen konnten, trafen früherviele Gontenschwiler ganz besondere kultisch-rituelle Massnahmen. Weit verbreitet war das Bohren von Löchern in Haustürschwellen, Holzwände oder Dachbalken. In die Bohrungen stopfte man Kräuter, Tierhaare oder Papierzettel mit Segenssprüchen und verschloss diese dann mit einem Holzzapfen. Damit waren die Geister gebannt und konnten nicht ins Haus eindringen. Auch allerlei «Beschwörungs- und Segnungsformeln» waren aus dem Wynental bekannt, die Schutz vor allerlei Unwägbarkeiten des Lebens bieten sollten.

Walter Merz (1868–1938), ein bedeutender Aargauer Historiker, veröffentlichte 1900 alte «Beschwörungs- und Segnungsformeln aus dem Wynental». Als Quelle diente ihm ein Heft aus dem 18. Jahrhundert mit handschriftlichen Aufzeichnungen zu dieser Thematik, welches er um 1885 aus der Hand des damaligen Gontenschwiler Pfarrers Achilles Zschokke erhalten hatte. Anhand sprachlicher Merkmale und Eigenheiten zweifelte Merz keinen Moment daran, dass die Niederschrift der uralten Zauberformeln in Gontenschwil entstanden war.

Beispiel eines Segensspruchs für einen sicheren Schuss: «Wann den schiesen weilt. Item nim ein Hirnischalen von einem Dodenkopf und machs sei zu Bulfer und dun alle…[unlesbare Lücke] Lug wans 3 Tag im Schütz (=Sternzeichen des Schützen) ist, so güs die Kuglen in der Nacht zwüschen 11 und 12, in der Nacht güs 3 mal. Want du schiessen wilt, so sprich also: Ich schiessen dich und triffen dich so gewüs das Gott der himmlischer den Lutzifehr dem Abgrund der Höll gestossen hat…».

Ein ähnliches Heft mit Zauberzeichen ist im Rahmen der Arbeiten an der neuen Ortsgeschichte von Gontenschwil (erschienen 2012) auf dem Estrich eines Bauernhauses gefunden worden.

Beispiel aus dem Heft mit Zauberzeichen aus Gontenschwil: Über die diversen Zeichen dieses Blatts ist folgender Kommentar beigefügt (Pfeil): «Diese Signa (=Zeichen) wird bei allen Operationen ja nicht weggelaßen, sie muß auf der Brust getragen werden und wird auf Jungfer Pergament (=reines, zartes, feinesPergament) geschrieben».