Eine missglückte Vorbildsuche mit erfolgreicher Wurstteilung

Recht amüsant liest sich der im Kirchgemeindearchiv aufbewahrte, überaus detailreiche Bericht eines Baukommissionsmitglieds, der 1908 über eine Erkundungsreise mit Kirchenbesichtigungen im Kanton Solothurn rapportierte.

Darin spiegeln sich einige für unser heutiges Empfinden skurrile Selbstverständnisse und Gedanken. Um sich im Rahmen der Vorbereitung zum Bau eines eigenen Gotteshauses zwei bereits bestehende Diaspora-Kirchen von vergleichbarer Grösse anzusehen, fuhren im August 1908 sechs Mitglieder der Fricker Baukommission nach Balsthal und Egerkingen. Mit der Bahn in Balsthal angekommen, liess man sich vom dortigen Pfarrer zwei Restaurants vorschlagen. Weil eines davon sogar einem reformierten Wirt gehörte, fiel den Reisenden die Entscheidung nicht schwer. Trotz guter Kost war es den Mitgliedern, wie beklagt wurde, «nicht vergönnt, gemäss den alten römischen Sitten lange in dem Genusse vollständiger Weltentfremdung und äusserster Zufriedenheit zu schwelgen, denn der liebenswürdige Pfarrer von Balsthal erwartete uns».

Die Balsthaler Kirche, die erst im Jahr zuvor von den Basler Architekten La Roche, Stähelin & co. vollendet worden war, machte den Herren von weit her einen guten Eindruck, «nur stand der wirklich plumpe Turm in keinem richtigen Verhältnis zu dem übrigen Bau». Der Eindruck ist interessant, denn der Turm in Balsthal musste in seiner Gestalt den Baselbietern und Aargauern tatsächlich etwas fremd vorkommen, vertritt er doch mit seiner Holzlaube und dem weit ausladenden Helm eine Form, wie sie vor allem im Bernbiet und im Alpenraum Tradition hatte. Dass «das Offenhalten des Glockenhauses im Turm nur durch einen Holzverschlag möglich war», kam den Fricktalern entsprechend seltsam vor. Vermutlich der dortige Pfarrer belehrte die Reisenden aber, dass es sich um einen ganz speziell in die Balsthaler Gegend passenden Bau handle. Im Fricktal hingegen und ganz besonders auf dem vorgesehenen Bauplatz hätte die Lösung mit der etwas rustikalen hölzernen Laube gerade neben der katholischen Kirche in Frick «leicht den Eindruck von wirklich zu grosser Bescheidenheit» wecken können. Besser gefiel in Balsthal die Aufstellung der Orgel im Chorbereich; sie liess sich «auch in dekorativer Hinsicht sehr wohl empfehlen».

Überhaupt kam die Balsthaler Kirche immerhin weit besser weg als jene von Egerkingen, die 1898 von einem Oltener Baumeister erstellt worden war – und mittlerweile (1956) einem Neubau gewichen ist. _«Das Egerkinger Kirchlein machte bei weitem nicht den ruhigen verlässlichen Eindruck auf den Wanderer._» Man beobachtete Risse, das Falzziegeldach liess durch, und überhaupt widerte das «fastidiöse Aussehen» mit dem blechernen Dachreiter des «schlechten Baumeisters» an.

Den krönenden Abschluss des Tages bildete eine weitere Einkehr im Bahnhofsrestaurant Olten, die, so irrelevant sie für die bevorstehende Planung eines neuen Gotteshauses war, ebenso sorgfältig rapportiert wurde: Man bezog dort «Naturalverpflegung», wobei sich drei der Reisenden zusammen zwei heisse Würste zu teilen hatten: _«Zum Glück besass Walder einen Zirkel bei sich, wodurch jedem sein Teil genau berechnet werden konnte, so dass ein Handgemenge vermieden werden konnte. Herr Rüfenacht bezog als besser Situierter einen Kalbskopf, obwohl er, wie er selbst erwähnte, schon vorher einen hatte._» Damit schliesst der Rapport.