Dohlen und andere Vögel

Neulich machte mich der Wirt vom Huserhof in Oberlunkhofen darauf aufmerksam, dass im Turm der reformierten Kirche Dohlen nisteten. Er habe mit einer Ornithologin darüber gesprochen. Auch diese zeigte sich überrascht, dass diese Vögel hier ansässig sind. Mir war es zwar bis dahin nicht aufgefallen, doch jetzt registrierte ich oft ein ziemliches Flattern und Kreischen um den Turmspitz. Unsere Sigristin klärte mich, wie so oft, über den Sachverhalt auf: Bei der Renovation um das Jahr 2000 wurden im Turm Schlupflöcher eingebaut, die für Fledermäuse bestimmt waren. Sie erwiesen sich als zu gross. So kamen stattdessen die Dohlen.

In früheren Zeiten galten sie als Zaubervögel und Unglücksboten. Wegen ihrer Vorliebe für Kirchtürme nannte sie der Volksmund «des Pfarrers schwarze Tauben». Franz von Assisi allerdings soll seine berühmte Vogelpredigt speziell den Tauben und Dohlen gehalten haben. Auch der Verhaltensforscher Konrad Lorenz zeigte sich fasziniert von den kleinen, intelligenten Rabenvögeln. Sie sind aufmerksame Beobachter. Ihre zärtliche und oft lebenslange Partner-Treue müsste eigentlich ein breites Publikum für sie einnehmen. Doch die Dohlen leiden unter Wohnungsnot und stehen deshalb heute unter Schutz. Natürlich hinterlassen sie ihren Unrat und verleihen ab und zu Kirchenbesuchern ein weissen «Abzeichen» von oben. 2001 wurde im Kirchturm extra ein Zwischenboden eingezogen, um die Verunreinigung zu begrenzen. [...]

Weiter unten sehe ich nicht selten ganz andere Vögel um die Kirche herumlungern (im übertragenen Sinne). Sie sitzen im Eingang der Kirche, sonnen sich auf dem Bänklein beim Brunnen oder lagern an der Mauer des Gemeindesaals. Sie skaten, spielen, rauchen, schmusen, lärmen und verpflegen sich. Auch hinterlassen sie Spuren, zum Beispiel unzählige Zigarettenstummel. Manchmal stören sie und wir möchten sie forthaben. Ein besonders einladendes Bänklein wurde vorsorglich wegmontiert. Doch sie kommen immer wieder. Sie grüssen zumeist freundlich und nehmen die Verweise wegen des Rauchens und Kiffens geduldig entgegen. Es mag sein, dass sie andernorts unerwünscht sind. Wie auch immer, kirchliches Gelände scheint auf gewisse Kinder und Jugendliche der Strasse zusätzlich eine merkwürdige Anziehungskraft auszuüben.

Manchmal treffe ich den einen oder anderen schrägen Vogel an einer Veranstaltung oder in der Kirche. Er – oder sie – mag durch ungewohnt bunte Kleidung oder originelle Voten auffallen und passt nicht so recht in das übliche, mittelständische Muster. Selbstverständlich sind alle willkommen, ob wohlanständig oder unangepasst.

Ich bin froh, dass es in unserer Gemeinde ein paar Paradies-Vögel gibt. Nehme ich doch an, dass auch die Truppe, die sich um Jesus scharte, bunte zusammengewürfelt war. Vielleicht hatte er sie vor Augen, als er sagte: «Das Reich Gottes gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und in seinem Garten säte; und es wuchs und wurde ein Baum, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen» (Lukas 13,19).

Ein Bericht von Andreas Pauli, aus: Treffpunkt-Kirche, 2. Jg./Nr. 4 (April 2011)