Von Gefahren aller Art in Kirchen, Kirchtürmen und Glockenstühlen – unter besonderer Berücksichtigung einer heimtückischen Holztreppe am Hintereingang der Kirche Zurzach

Dass in Kirchen, gerade in älteren Kirchen mit einer langen Geschichte, manchmal auch Gefahren und Schwierigkeiten verschiedenster Art lauern können, ist allen bekannt, die beruflich in diesem Feld zu tun haben. Neben der in reformierten Kirchen mitunter gepflegten (Un)Sitte äusserst restriktiver Öffnungszeiten, die einen schlimmstenfalls trotz Voranmeldung vor verschlossenen Türen stehen lässt, gibt es noch einiges mehr, was die Arbeit manchmal zur Herausforderung werden lässt. Im folgenden ein paar Beispiele hierfür: eisige Kälte; Stolperfallen jeglicher Art inklusiv Kabel für die Scheinwerfer des Fotografen; schwer auffindbare bis fehlende Lichtschalter und Steckdosen; durch Stühle und anderes Mobiliar versteckte bis unzugängliche Epitaphien und andere architekturhistorische Kostbarkeiten; Unumgängliches, aber höchst unsensibel Platziertes wie knallrote Feuerlöschgeräte, fest montiert an historischem Gestühl; von Kunsthistorikern berufsbedingt argwöhnisch beäugte Dekorationen aller Art, die zumeist nicht zwingend sakral wirken: von Geburtsbäumen über Plakate, Textilien und allerlei Kunsthandwerklichem bis zu Töpfen und Kübeln mit merkwürdigerweise häufig latent serbelnd wirkenden Pflanzen, die für die Fotosession temporär entfernt und anschliessend möglichst am gleichen Ort wieder deponiert werden müssen; das dauernde im-Auge-behalten- bzw. verschieben-Müssen des eigenen Equipments, das nicht auch noch aufs jeweilige Foto soll; in glücklicherweise seltenen Fällen gar Modergeruch und Fliegenleichen – und dann natürlich vor allem die Gefahren in Kirchtürmen und Glockenstühlen, in die es hochzusteigen gilt, um die Glocken besichtigen und fotografieren zu können.

Im Glockenstuhl der Kirche Zurzach: der Fotograf Markus Hässig bei der Arbeit, lichttechnisch tatkräftig unterstützt von Sigrist Fredi Portner 16. Februar 2018
Foto Barbara Tobler

Hier ganz besonders ist die Unterstützung von engagierten Sigristinnen und Sigristen notwendig, die warnen vor steilen bis halsbrecherischen Treppen, gerade letztere manchmal ohne Geländer, vor Staubschichten, Spinnweben, Vogel- und Fledermausdreck, fehlendem Licht, Balken, an denen man sich den Kopf anschlagen könnte (und es dann prompt tut) und Ähnlichem mehr, das den Aufstieg – und noch mehr den Abstieg! – manchmal zum rechteigentlichen Abenteuer mit beträchtlichem Adrenalinausstoss werden lässt. Zu berücksichtigen ist dabei immer auch das Fortschreiten der Uhrzeit, konkret: Das rechtzeitige Verlassen des Glockenstuhls ist äusserst empfehlenswert – nämlich bevor die Glocken zum Schlag ansetzen, und das ist bei vielen Kirchen immer noch jede Viertelstunde!

Zurzach, der Ort, der seit 2006 offiziell den Namen «Bad Zurzach» trägt, ist für die Kunsthistorikerin aus mehreren Gründen etwas Besonderes: Die Kirche Zurzach, mitten im Ort gelegen, ist die letzte ihrer zu bearbeitenden Kirchen im Rahmen des Internetauftrittes zu den reformierten Aargauer Kirchen. Dann kennt sie die Gegend, weil sie Ende der Achtzigerjahren einige Zeit im nahe gelegenen Städtchen Kaiserstuhl gewohnt hatte. Vor allem aber ist «Zurzach» fest verbunden mit den Kindheitserinnerungen an regelmässige Besuche im Thermalbad, zu denen ihre in Zürich lebenden Grosseltern sie jeweils mitnahmen.

Eine Tücke der besonderen Art hielt nun ausgerechnet die reformierte Kirche in ebendiesem Zurzach bereit – am 16. Februar 2018, einem kalten und regnerischen Tag, als die Kunsthistorikerin und der Fotograf dort weilten. Auf die Bitte der ersteren, die wissen wollte, was sich hinter der rückseitigen Türe unter der Kanzel verbirgt, öffnete der Sigrist diese vom Innenraum her. Aha, eine kleine Treppe direkt ins Freie! Seine Warnung «ACHTUNG, schliferig!» kam eine Sekunde zu spät. Diese rückseitige Treppe, deren Einfachheit, um nicht zu sagen: hölzerne Archaik in eklatantem Gegensatz zur prachtvollen Innenseite der Türe steht, hatte es tatsächlich in sich, und so stand der unmittelbar folgende Sturz der Kunsthistorikern demjenigen beim Schneeschuhlaufen, zwei Tage zuvor, nur unwesentlich nach. Sigristinnen und Sigristen sind gewohnt, zuzupacken, glücklicherweise auch hier, und so stand sie, anders als in der winterlichen Schneelandschaft zwischen Morteratsch und Pontresina, dank zwei kräftigen Armen nur Sekunden später wieder sicher auf den Beinen – und zwar im Innern der Kirche, und dort ist sie für den Rest des Besuches dann auch geblieben.

Die archaisch anmutende Holztreppe zur Türe in der hinteren Längsseite der Kirche, die direkt unter der Kanzel ins Innere führt – und aus gutem Grund verschlossen bleibt

An dieser Stelle sei den Sigristinnen und Sigristen, die im Laufe der Zeit Kunsthistorikerin und Fotograf freundlich, hilfsbereit und professionell unterstützt, dabei viele Spezialwünsche erfüllt und nicht zuletzt auch originelle und hochspannende Einblicke in die Besonderheiten der jeweiligen Kirchgemeinden, Kirchen und deren Geschichte gewährt haben, ein grosses Kränzchen gewunden und herzlich gedankt! Es war immer wieder eine Freude zu erleben, wie ihr Engagement weit über das eines blossen ‹Jobs› hinausging, wie sie sich ‹ihrer› Kirche und der Kirchgemeinde verpflichtet und verbunden fühlen und sich für sie engagieren, manchmal während Jahrzehnten.

© Barbara Tobler
23. März 2018