Die Glasmalereien

Innerhalb des zentralen Chorfensters ist ein herausragender gotischer Bildzyklus erhalten, der um 1400 entstanden ist. Er wurde vermutlich von elsässischen Glasmalern gestaltet.

Der Zyklus zeigt in neun Szenen die Passion Jesu mit den Stationen Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung.

Der Passionszyklus im zentralen Chorfenster© Denkmalpflege des Kantons Aargau

In der untersten Reihe sind in den zwei linken Panneaux die Grablegung, rechts davon die Auferstehung Christi dargestellt. In den mittleren beiden Reihen mit insgesamt sechs Panneaux geht es um die Kreuzigung Jesu; sie bildet zugleich das inhaltliche und formale Zentrum des ganzen Bildzyklus'. Im oberen Teil sind neben Jesus die beiden Schächer zu seiner Linken und Rechten zu sehen, während in den drei Panneaux darunter die trauernden Frauen und der Lieblingsjünger Johannes (mittleres Panneaux) nahe beim Kreuz dargestellt sind. Links davon der römische Legionär (nach der Tradition der spätere heilige Longinus), der Jesus seine Lanze in die Seite sticht, rechts ein römischer Hauptmann, neben ihm ein durch den gelben Spitzhut als Jude gekennzeichneter Mann, möglicherweise der Verräter Judas.

Zwei Ausschnitte aus dem Passionszyklus zeigen viele kunstvoll gestalteten Details, so etwa die Faltenwürfe der Trauernden, dann die Gewänder der beiden Männer auf der rechten Seite, ihre feingestalteten Haar- und Barttrachten.

Ausschnitt aus der Kreuzigungsszene mit den trauernden Frauen, Maria und eine weitere Frau (links) und dem Apostel Johannes (rechts)

Ausschnitt aus der Kreuzigungsszene mit zwei Figuren auf der rechten Seite des Kreuzes: ein Jude (Judas) und rechts von ihm ein römische Hauptmann

In der obersten Reihe sind in achsensymmetrischer Ansicht drei baldachinartige Architekturdarstellungen zu sehen; sie gehörten ursprünglich kaum zum Passionszyklus, unterscheiden sich auch farblich von den neun darunterliegenden und zusammengehörenden Szenen und wurden vermutlich erst später ins mittlere Chorfenster integriert.

Gesamtansicht des Chores mit dem spätgotischen Glasmalereien: in der Mitte der Passionzyklus und in den beiden Seitenfenstern je drei Wappenscheiben von 1518

Links und rechts des zentralen Chorfensters mit dem Passionszyklus sind sechs historische Scheiben aus dem frühen 16. Jahrhundert (1518) zu besichtigen, wohl Stiftungen von Chorherren. Sie wurden zu je drei Scheiben in die unterste Reihe der Fenster eingefügt. Geschaffen haben sie vermutlich die Glasmalern Hans Funk aus Zürich (1470–1540) und der Konstanzer Glasmaler Ludwig Stillhart (1506–1536/37).

Im linken Fenster sind drei Wappenscheiben zu sehen, von links nach rechts: die Wappenscheibe Peter von Hertenstein (links), die Wappenscheibe Roland Göldlin (Mitte) und die Wappenscheibe von Andreas von Luternau. Geschaffen hat sie 1518 Ludwig Stillhart .

Im rechten Fenster befindet sich die Scheibentrilogie vom Stift Beromünster, vom Kloster St. Urban und vom Stift St. Leodegar im Hof von Hans Funk; auch sie stammen aus dem Jahre 1518.

Wappenscheibe Peter von Hertenstein
Wappenscheibe Roland Göldlin
Die Wappenscheibe Luternau
Wappenscheibe Chorherrenstift Beromünster
Die Wappenscheibe von Sankt Leodegar, Luzern
Die Wappenscheibe vom Kloster St. Urban

Glasmalerei in der nördlichen Sakristei («Taufkapelle»)

Auch in der nördlichen Sakristei der Stadtkirche, der sogenannten «Taufkapelle», findet sich Glasmalerei. Sie ist in historisierendem Stil gestaltet und stammt von Heinrich Röttinger (1866–1948) aus Zürich, Nachkomme der berühmten Glasmalerei-Dynastie Röttinger.

Das Fenster entstand 1923. Es ist ganz in der historischen Bildtradition des sogenannten Sposalizio (Verlöbnis oder Verehelichung). Hier wird – anders als etwa im berühmtesten Beispiel eines «Sposalizio», demjenigen von Raffael von 1504, bei dem es um die Verlobung/Verehelichung der Jungfrau Maria mit Joseph (nach dem Protojakobus-Evangelium geht – offensichtlich die Verehelichung eines weltlichen Paares gezeigt. Derjenige aber, der die Brautleute im Bund der Ehe zusammenführt, ist nicht wie bei Raffael ein Hohepriester, sondern Jesus Christus höchstpersönlich.

Glasmalerei in der Seitenkapelle: Verehelichung mit Jesus Christus als demjenigen, der die Brautleute zusammenführt zum Ehebund

Besonders bedeutsam ist in beiden Darstellungen die Verbindung der Hände von Mann und Frau und dem Priester/Jesus Christus. Gezeigt wird genau dieser Moment als Höhepunkt, denn ab dann gilt die Ehe, lange vor der Einführung von staatlichen Zivilstandsämtern, auch juristisch als geschlossen.

Ausschnitt der Glasmalerei in der Seitenkapelle

Formal unterscheiden sich die Szene in Zofingen stark vom berühmten Vorgängerbild in der Brera: Dieses ist streng, geradezu idealtypisch zentralperspektivisch gestaltet, während die Szene in der Zofinger «Taufkapelle» auf einem anderen Kompositionsschema beruht: Es liest sich nicht auf einen absoluten perspektivischen Mittelpunkt hin, sondern (also in der traditionellen Lesart der westlichen Bildgestaltung): von links nach rechts. Im Zentrum des linken Bildpanneau stehen das Brautpaar und im engeren Bildsinn die Braut in ihrem leuchtendgelben, mit stilisierten weissen Lilien (Lilien als Attribut der Maria – auch dies ein ikonographischer Verweis auf den sakralen Bildprotoyp!) geschmückten Brautkleid – und vier Hände: je eine von Braut und Bräutigam, und die beiden Hände Jesu Christi, der sie umfasst und somit auch segnet. Im rechten Bildteil wird das Hauptaugenmerk auf die markante Figur von Jesus Christus im violetten Gewand gelenkt.

Die Verbindung von vier Händen – je eine Hand von Mann und Frau, die von den Händen Jesu Christi umfasst werden – als Moment der Eheschliessung und Segnung dieser Ehe

An der Basis des Fensters ist der Anfangsvers von Psalm 127 zu lesen, das sich auf die Eheschliessung auf religiöser/kirchlicher Grundlage bezieht:
«Wo der Herr nicht / das Haus bauet
da arbeiten umsonst / die daran bauen.»

Fotos alte Scheiben im Chor © Hans Fischer