Das Innere

Sobald man die reformierte Kirche von Reitnau betritt, verspürt man unverzüglich eine Störung des Raumeindrucks. Dafür verantwortlich ist die im Jahr 1900 bis fast in die Mitte des Schiffs vorspringende, überdimensionierte Empore. Warum damals trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen das Platzangebot in der Kirche so stark ausweitet worden ist, bleibt unklar.

Blick indie Kirche Reitnau nach dem Betreten durch die nördliche Zugangstüre. Durch dieweit vorspringende Empore ist der Chor nur teilweise sichtbar und dieeigentlich angenehme Raumwirkung deutlich eingeschränkt.

Das Schiff wird durch drei Südfenster, der Chor von einem südwärts und drei ostwärts gerichteten Stichbogenfenstern belichtet, die alle aus der Bauzeit 1522/23 stammen. Das einzige Nordfenster scheint jedoch erst im 17. Jahrhundert zur besseren Belichtung der Kanzel eingebaut worden zu sein.

Blick aufden Chor der Kirche Reitnau

Hat man die Empore hinter sich gelassen, eröffnet sich der Blick auf den Chorbogen, der sich als gekehlter Rundbogen mit gefasten Pfeilern und sichtbaren Sandsteinquadern präsentiert.

Der Schlussstein des Chorbogens zeigt das geopferte Osterlamm («agnus Dei») im Halbrelief. An der Basis des Rundbogens finden sich Bauinschriften in der Form von Jahreszahlen.

Verzierungen des Chorbogens: (links) das Osterlamm, (rechts) Bauinschriften

Hinter dem Rundbogen liegt der um drei Treppenstufen erhöhte, flach gedeckte, dreiseitige Chorraum, in dessen Rückwand sich drei einfach unterteilte gotische Spitzbogenfenster mit sandsteinernem Fischblasenmasswerk mit tief ausgehöhlten Furchen befinden. Im obersten Viertel sind jeweils zwei Figuren-/Wappenscheiben aus der Bauzeit um 1522 angebracht.

Anordnungder Glaskunst im Chorraum. Blick von der Kanzel herab

Die beiden Gipsdecken von Schiff und Chor mit den ehemals leicht vergoldeten Stuckdekorationen stammen von 1858.

DieStuckdekorationen der Chordecke (rechts) und der Kirchenschiffdecke (links)

Als weitere Ausstattung verfügt die reformierte Kirche von Reitnau über einen 104 Zentimeter hohen Taufstein mit einem sechseckigen muschelartigen Kelch (Durchmesser 80.5 cm) aus Sandstein auf einem balusterförmigen Fuss. Der Taufstein trägt ein Wappen sowie die Umschrift: «Herr Joh. Heinrich Steinegger Predigcant allhie erneuweret disen Taufstein Anno 1699». Er amtierte 1685–1722 als Pfarrherr in Reitnau, nachdem er bereits 1679–1685 bei seinem Vater und Amtsvorgänger als Vikar tätig gewesen war. Er stand in Reitnau somit insgesamt 43 Jahre lang als Seelsorger im Einsatz, sein Vater vorgängig während 42 Jahren (1643–1685).

Der 1699und 1945 erneuerte Taufstein in der Kirche Reitnau

Die Kanzel stellt zusammen mit Schalldeckel und Zugangstreppe, die um den Chorbogen herumführt, sowie dem Pfarrstuhl ein reizvolles Ensemble dar. Die Kanzel selber ist ein polygonaler Korpus aus Eichenholz mit gedrehten Ecksäulen auf Volutenkonsolen unter sich verkröpfendem Gebälk.

Gesamtansicht der Kanzel mit Schalldeckel und Pfarrstuhl aus der Zeit um 1600

Auf der im Jahr 1900 zusammen mit dem Turmneubau verlängerten Empore ist auch die Kirchenorgel als frei stehender Korpus untergebracht.

Blick ausdem Chorbereich in Richtung Empore. Im Zentrum der Empore die Orgel

Reizvoll im Detail zeigt sich die alte Bestuhlung des Kirchenschiffs und der Empore.

Detailder Sitzbänke im Kirchenschiff mit gusseisernen Armlehnen

Beim Aufgang zur Empore ist an der Südwand eine Grabplatte (Epitaph) von Margareta Steinegger geb. Wassmer (1619–1673) angebracht. Es handelt sich um eine Sandsteinplatte mit Ohren, Gesimsbekrönung und Sockelfries. Im Zentrum findet sich das Familienwappen mit Helmzier über einer Rollwerkkartusche und ein Spruch in Frakturschrift. Bei der Verstorbenen handelte es sich um die Ehefrau des 1643–1685 in Reitnau amtierenden Pfarrers Johann Heinrich Steinegger von Zofingen. Dank seiner grosszügigen Spende von 8'000 Gulden (1678) konnte die bisher zu Suhr gehörende Ortschaft Rupperswil 1681 zu einer eigenen Kirchgemeinde erhoben werden.

Epitaph der Margareta Steinegger geb.Wassmer (1619–1673)