Einzigartig gelegene Zweiturmkirche in frühester schweizerischer Neugotik

Die Kirche Aarburg gehört in ihrer Erscheinung zu den unverwechselbarsten Sakralbauten nicht nur des Aargaus, sondern der ganzen Schweiz. Ihre einzigartige Stellung vor einer Festung hoch über der Aare, ihre Zweitürmigkeit und der Mischstil aus Klassizismus und Gotik machen sie zu einem besonders beachtenswerten Kleinod der Schweizer Kirchenbaugeschichte. Der Kirchenbau stammt von 1842–45, also aus einer Zeit, in der nicht viele kirchliche Neubauten entstanden: Am «Vorabend» der Gründung des Schweizer Bundesstaates, Modernisierung des Verkehrs, der Industrialisierung und dem damit verbundenen Bevölkerungswachstum war der Bedarf an kirchlichen Neubauten gering. Auslöser für den Kirchenneubau war ein verheerender Dorfbrand, und die langwierigen Planungen für die neue Kirche offenbaren, dass ein ganz spezifisches System und Bauprogramm gefunden werden musste und man sich nicht auf landesweit etablierte Lösungen berufen konnte. Der Basler Architekt Johann Jakob Heimlicher entwarf schliesslich den heutigen Neubau, an dem nahezu erstmalig im Schweizer Kirchenbau durchgehend gestalterische und dekorative Anklänge an die Neugotik zu beobachten sind. Dieser Stil, der danach bis zum Ende des 19. Jahrhunderts den Kirchenbau in fast ganz Mitteleuropa beherrschte, trat hier in einer pionier- aber auch noch etwas zaghaften Formulierung als «grafische» Ergänzung eines klassizistisch verstandenen Entwurfs auf. Im ursprünglich klassizistisch ausstaffierten Inneren war die Gotik seit Anbeginn kaum erkennbar, und seit dem Umbau von 1939 herrscht im Kirchenraum ein gänzlich neues, zeitbedingt aber gleichfalls interessantes künstlerisches Klima.

Verfasst von Matthias Walter
Fotos von Markus Hässig


Blick von der Aare auf Kirche und Festung Aarburg